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Auf der Suche nach den verlorenen Büchern 9: Die Zeit-Bibliothek der verschwundenen Bücher

In einer neuen Roman-Edition legt die Wochenzeitung DIE ZEIT zwölf vergriffene Titel wieder auf. Was hat diese Buchreihe zu bieten?

„Lange waren sie vergriffen – jetzt macht Die Zeit 12 herausragende Romane großer Erzähler wieder zugänglich!“ So heißt es in einem Prospekt, welcher letzte Woche der Wochenzeitung aus Hamburg beilag. Ein kurzes Augenreiben ist angebracht. Es ist natürlich wünschenswert, dass gute Bücher wieder den Weg zurück in die Buchhandlungen finden. Aber sind nun vergriffene Romane wieder ein „sales point“? Gibt es dort draussen wirklich ein Publikum, das sehnlichst auf die Neuauflage seltener Bücher wartet? Oder sind der Zeit nach der Editions-Manie der Nuller-Jahre (als etliche Zeitungen eine Bücherserie nach der anderen raushauten) die Ideen ausgegangen? Schauen wir doch mal nach, was diese neue, in Zusammenarbeit mit dem Verlag Eder und Bach lancierte Buch-Serie zu bieten hat.

Hier die Titel im einzelnen:

  • William Faulkner – Wilde Palmen
  • James Baldwin – Giovannis Zimmer
  • Françoise Sagan – In einem Monat, in einem Jahr
  • Alice Walker – Die Farbe Lila
  • E. M. Forster – Auf der Suche nach Indien
  • George Sand – Sie und Er
  • Tom Wolfe – Die Helden der Nation
  • Stanislaw Lem – Der Schnupfen
  • Alberto Moravia – Die Gleichgültigen
  • Ford Madox Ford – Die allertraurigste Geschichte
  • Aleksander Tišma – Der Gebrauch des Menschen
  • Nataila Ginzburg – Die Stimmen des Abends

Der Schwerpunkt liegt bei der Literatur des 20. Jahrhunderts (nur George Sands „Sie und Er“ schert hier aus) und es finden sich keine deutschsprachigen Schriftsteller_innen darunter, dafür gleich sechs Übersetzungen aus dem Englischen (USA und Großbritannien). Echte Überraschungen sind wenige dabei. Große Namen wie William Faulkner, Stanislaw Lem, Françoise Sagan, der Italiener Alberto Moravia oder der Tscheche Aleksander Tišma sind sowieso mit etlichen anderen Titeln in den Buchhandlungen vertreten. Erstaunlich allerdings, dass mit „Die Gleichgültigen“ Moravias vielleicht wichtigster Roman zuletzt vergriffen war. Ebenso verwunderlich, warum Alice Walkers berühmter Klassiker „Die Farbe Lila“, 1985 von Steven Spielberg verfilmt, zuletzt 2003 bei Bastei Lübbe neu aufgelegt wurde und seitdem in keinem Verlagsprogramm wieder auftauchte.

Eine wirkliche Lücke schließt diese Edition mit der Neuausgabe von James Baldwins Roman „Giovannis Zimmer“. Baldwin (1924 – 1987) war ein schwuler afroamerikanischer Autor, der ab den 1950er Jahren mit seinen offen von homosexueller Liebe erzählenden Texten für Skandale in den USA sorgte. Inzwischen gilt er als Klassiker der US-Nachkriegsliteratur. Seine deutschsprachige Heimat, der Rowohlt Verlag, hat Baldwins Werk allerdings in den letzten zwanzig Jahren sträflich vernachlässigt. Gut, dass nun wieder „Giovannis Zimmer“ in die Buchläden zurückkehrt. Außerdem ist es schön, Natalia Ginzburgs „Die Stimmen des Abends“ als Neuauflage zu sehen. Von der Zeit selbst vor drei Jahren in ihren Kanon der europäischen Literatur seit 1945 aufgenommen, zeigt dieser Roman Ginzburgs Erzählkunst in ihrer ganzen schlichten Schönheit.

Verschwundene_Buecher_BuecherstapelTatsächlich sind alle Romane der Edition in ihren normalen Verlagseditionen momentan vergriffen, selten sind sie damit aber lange nicht. Von fast allen Titeln ist problemlos und zu günstigen Preisen eine Taschenbuchausgabe antiquarisch erhältlich. Stanislaw Lems „Der Schnupfen“ erschien vormals bereits in einer Buch-Edition, nämlich vor ca. zehn Jahren in der „Kriminalbibliothek“ der SZ. Ausnahmen bilden Tom Wolfes Reportage-Roman über die bemannte US-Raumfahrt „Die Helden der Nation“ sowie George Sands „Sie und Er“, beide Titel werden auch als antiquarisches Taschenbuch zu etwas höheren Preisen gehandelt.

Die im Internet vorhandenen Informationen schweigen sich leider darüber aus, ob die Zeit-Edition die teilweise betagten Übersetzungen überarbeiten liess oder sogar neu übersetzt wurde. Die Erfahrung bei älteren Editionen zeigt aber, dass dies eher nicht der Fall sein wird. Immerhin bieten die Bände neu verfasste Nachwörter von Zeit-Autor_innen sowie eine hochwertige Ausstattung in Halbleinen mit Prägung. Übrigens: obwohl Die Zeit die 12 Bände nur in einer besonders „günstigen“ Komplettbox bewirbt, sind sie auch einzeln erhältlich.

Selbst wenn also sensationelle Neuauflagen literarischer Raritäten in dieser neuen Edition fehlen, schließt die Buchreihe doch die eine oder andere Lücke. Und das ist allemal besser, als eh schon lieferbare Titel in anderer Aufmachung nochmals auf dem Markt zu werfen.

Weiter Informationen zur Edition hier.


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2 Antworten zu „Auf der Suche nach den verlorenen Büchern 9: Die Zeit-Bibliothek der verschwundenen Bücher”.

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